Herbstflimmern!
es klickt, hier, auf der scherbe, ein fang geht ins netz. oder das navi / spinnt.
–Lara Rüter: „amoretten in netzen“
Angesichts von Terror und Krieg, da vieles von dem, auf das wir vertrauen konnten, aus den Fugen zu gehen scheint, könnte man sich fragen: Wozu noch Literatur? Was vermag die Kunst der Worte in einer Welt von Irrationalität, Autoritarismus, Ressentiment und Gewalt? „Nur Maschinen schreiben wohl Texte, in denen Menschen nicht vorkommen“, meint die Lyrikerin Nora Gomringer. „Wir Menschen brauchen die Gelegenheit zur Selbsterkenntnis in Texten, sonst verlieren wir uns und vorher den Verstand und vorher die Freude.“
An Selbsterkenntnis, klugen Gedanken und Freude soll es nicht fehlen, wenn zum Literarischen Herbst 60 Autor:innen eine Welt in den Blick nehmen, die immer noch berührend, derzeit häufig verstörend, aber auch tröstend und schön ist. Wie immer freuen wir uns auf eine Woche, die die ganze Bandbreite dessen bietet, was Literatur will und kann – kühn und poetisch, literarisch klug, politisch, aufregend.
Neben bewährten Herbst-Formaten wie „Beste erste Bücher“ – das, bleiben Sie gespannt, durch eine neue Zusammenarbeit mit der Leipziger Buchmesse auch im kommenden Frühjahr zu erleben sein wird –, dem „Lyrikhotel“ oder dem Campus-Programm mit der Literaturzeitschrift Edit freuen wir uns auf internationale Gäste: Die Friedenspreisträgerin des Deutschen Buchhandels, Anne Applebaum, wird einen Tag nach der Preisverleihung in der Frankfurter Paulskirche nach Leipzig kommen. Maria Stepanova, die derzeit im Pariser Exil lebende, international wohl erfolgreichste russische Dichterin der Gegenwart hat ihr neues Buch im Gepäck. Und in Kooperation mit dem Institut français holen wir Raphaëlle Red und Hélène Laurain, zwei der derzeit spannendsten Stimmen der jungen französischen Literatur, in die Stadt. Täuschen die Zeichen nicht, wird der Literarische Herbst 2024 mit neuen, großen Büchern von Jens Bisky, Martina Hefter, Isabelle Lehn, Julia Friedrichs oder Jackie Thomae auch ein eminent politischer.
Am Ende, Sie haben es geahnt, machen wir so ein Festival natürlich auch, um uns ein paar Herzenswünsche zu erfüllen: Dazu gehört, dass wir unseren Freund Wolfram Lotz schon immer einmal mit unserem Lieblingsschauspieler Fabian Hinrichs über die so genannte Wirklichkeit sprechen hören wollten. Und wenn Bernd Begemanns Anzug nach zweieinhalb Stunden Konzert in der naTo nicht mehr so sitzt, wie der Schneider sich das einmal vorgestellt hat, wissen wir: Herbstflimmern, Baby! Wir sind gespannt auf diesen Literarischen Herbst. Und freuen uns auf Ihre neugierige und kritische Begleitung.
Jörn Dege, Nils Kahlefendt und Anja Kösler